Transponierende Instrumente

Angehende Kapellmeister sollten imstande sein, die Orchestertranspositionen absolut zu lesen. Ein B- oder F-Stimme sollte ihnen ebenso flüssig ins Auge (und Ohr) gehen, wie ein Alt- oder Tenorschlüssel. Wer Wagner dirigieren oder studieren will, muß zudem mit der E- und Es-Stimmung beherrschen. Wer es zum absoluten Lesen der transponierenden Instrumente gebracht hat, kann schließlich auch mehrere komplizierte Stimmungen gleichzeitig lesen, eine Forderung, die sich bei der Beschäftigung mit Wagner und Strauß zwangsläufig stellt.

Wie beim einfachen Transponieren gibt es auch beim Erlernen der transponierenden Orchesterinstrumente ehrliche (zielführende) und unehrliche Methoden (Umwege, die das Lernen nur scheinbar erleichtern).

Unehrliche Methoden

Hierzu zählt das Lesen der Transpositionen mit Schlüsseln (beliebt vor allem bei der E- und Es-Stimmung, doch noch nie habe ich diesen Tip für die F-Stimmung gehört. Warum wohl nicht?). Wer ständig im falschen Schlüssel herumstochert und herumrät (schließlich müßen die Versetzungszeichnen »irgendwie« erraten werden), lenkt sich selbst von den nötigen Lernvorgängen ab und hemmt sie somit zuverlässig. Diese Methode mag zu Anfang verlockend sein, auf lange Sicht ist sie jedoch verwirrend und letztlich zeitraubend.

Versierte Pianisten neigen dazu, melodisch zu transponieren: man weiß die Tonart, in der die Transposition herauskommen muß und tastet sich dann am horizontalen Verlauf der Stimme, von Intervall zu Intervall, entlang. Dies ist fehleranfällig: ein falsch gelesenes Intervall verursacht Nachfolgefehler, insbesondere bei Neuer Musik, wo man die falschen Klänge nicht sofort als solche hörend erkennt. Außerdem behindert es die Konzentration: das Auge wird gezwungen, auf der Transpositionsstimme zu verweilen. Mindestens absorbiert die Transpositionsstimme einen großen Teil der Konzentration. Das Lesen absoluter Tonhöhen, eine Grundforderung an das Partiturlesen und -spielen, wird dadurch zuverlässig verhindert.

Ehrliche Methoden

1. Rechnen

Zumindest bei kleinen oder leichten Intervallen (Sekunde, Terz sowie Quarte und Quinte) ist die Methode des ehrlichen Rechnens die zwar anstrengendste, zugleich aber zielführendste. Das Lesen und Spielen verläuft in drei Schritten, die zunächst bewußt und langsam, später unbewußt (reflexartig) und schnell verlaufen:

  1. Die notierte Originaltonhöhe in der zu transponierenden Stimme erfassen (wichtig!),
  2. im Transpositionsintervall umrechnen,
  3. die klingende Tonhöhe in den gegriffenen bzw. innerlich gehörten Satz integrieren.

Keine Bange: wenn man dies lange genug trainiert, gelingen die Rechenvorgänge zunehmend kurzschlüssig, reflexartig und werden schließlich automatisiert. Versierte Kapellmeister/innen lesen eine B-Stimme oder eine F-Stimme absolut.

Die E- und Es-Stimmung transponiert im Falle der Hörner um eine Sexte abwärts. Wem es schwer fällt, eine Sexte auszurechnen, der kann eine Hornstimme im modernen Tenorschlüssel (dem oktavierenden Violinschlüssel) lesen und dann eine Terz aufwärts rechnen.

2. Naturton- bzw. Stufenmethode

Insbesondere für die schwer umrechenbaren Sexten der E- und Es-Hörner bietet sich als Alternativmethode die Naturton- oder Stufenmethode an. Weil die Hörner zunächst nur diatonische (Haupt-) Stufen bzw. Töne der Obertonreihe hatten, kann man die Hornpartie mit den Stufen von C-Dur vergleichen: die I. Stufe in C wird I. Stufe in Es, die V. Stufe in C wird V. Stufe in Es (also b), die II. Stufe in C (d) wird II. Stufe in Es (also f) usw. Mit der Zeit lernt man die Umrechnung auswendig (genau wie seinerzeit das Einmaleins) und kann auf den Umweg des Vergleichs der Tonstufen verzichten. Ebenso erschließen sich dadurch rasch die chromatischen Stufen.

Die Früchte der Arbeit: das Erfassen großer Orchesterpartituren wird leichter

Es dürfte unstrittig sein, daß Kapellmeister/innen die Transpositionen beherrschen müssen (schon allein, um sich mit den Musikern verständigen zu können). Doch es gibt auch für diejenigen, die eine Partitur nur analysieren und innerlich hören wollen Grund genug, die Transpositionen fleißig zu üben.

Je mehr man es im Lesen der transponierenden Instrumente zur Perfektion bringt, desto leichter erschließen sich komplexe Partituren: man ist nicht gezwungen, stets den Streichersatz zu lesen, sondern kann die Harmonie oftmals optisch bequemer aus dem kompakten Horn- oder Holzbläsersatz ablesen. Das Auge muß nicht immer zwischen Solobläsern und Streicherharmonien springen (weil es die unbequemen Transpositionen vermeidet), sondern kann eine im Notenbild im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Bläserpartie zum Erfassen der Harmonien benutzen. Der Partiturspieler gewinnt so zusätzliche Freiheitsgrade.

Fleißiges Üben der Bläsertranspositionen zahlt sich aus!